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Auf dem Gebiet der heutigen Baustelle zu den Neubauten MITTE1|2 befand sich zwischen 1838 und 1883 der Spitalfriedhof des damaligen Kantonsspitals. Jetzt schliesst die Kantonsarchäologie die Grabungsarbeiten ab. Die Funde dürften neue medizinhistorische Erkenntnisse bringen.

Auf dem ehemaligen Spitalfriedhof sind Menschen beerdigt worden, die im Spital verstarben. (Bild: Kantonsarchäologie)

«Aus Patienten- und Totenregistern weiss man, dass 85 bis 90 Prozent aller im Spital verstorbenen Patientinnen und Patienten hier ihre letzte Ruhe fanden», erklärt Grabungsleiterin Timea Remsey von der Kantonsarchäologie. Weil auf dem Areal im Laufe der Zeit Gebäude entstanden, die heute bereits wieder zurückgebaut wurden, ist heute nur noch ein kleiner Teil des Spitalfriedhofs erhalten. Die Archäologin vermutet über 1800 Bestattete auf dem Areal. Die Menschen sind in kleinen Abständen zu einander bestattet worden. Gefundene kleine Glasscheiben zeugen von den Sichtfenstern, welche die Särge damals hatten. Während sich deren Holz weitgehend zersetzte, blieben neben den Knochen auch Fingerringe, metallene Gurtschnallen oder Knöpfe erhalten.

Auch Tierknochen bestattet

Man wusste schon vor den Bauarbeiten, dass auf dem Baufeld einst ein Friedhof lag. Die Reichhaltigkeit der Fundstelle wurde aber so nicht erwartet. Zu Tage kamen bei den Grabungen auch sogenannte «anatomische Bestattungen». Das sind Särge, in denen sezierte Körperteile mehrerer Menschen zusammen bestattet wurden. In den anatomischen Bestattungen finden sich vereinzelt auch Knochen von Tieren. Teilweise weisen sie Säge- oder Sezierspuren auf – Medizinstudierende dürften an Tierkörpern geübt und gelernt haben. Bei den Grabungen kamen auch Gebissprothesen sowie Glasgefässe zum Vorschein, die in der Anatomie verwendet wurden.

Die Gloriastrasse mit Gloriarank um 1905. Vor der Linkskurve ist der Spitalfriedhof zu sehen. (Bild: ETH Bibliothek)

Archäologische Funde und historische Quellen kombinieren

«Indem wir die archäologischen Zeugnisse mit schriftlichen Quellen wie zum Beispiel Totenregistern oder Patientenakten in Verbindung bringen, erhoffen wir uns unter anderem neue medizinhistorische Erkenntnisse», erklärt Kantonsarchäologe Beat Eberschweiler. «So können wir mehr über die damalige medizinische Behandlung einzelner Individuen herausfinden, aber auch neues Wissen erschliessen zum generellen Umgang der damaligen Gesellschaft mit kranken Menschen.»

Baustellen-Webcam vom 17. November 2023. In den weissen Zelten arbeitet die Kantonsarchäologie.

Die Kantonsarchäologie sichert und dokumentiert die Funde im Feld noch bis Mitte Dezember 2023. Dann lagert sie einen Teil der Gebeine ein und stellt sie der Forschung zur Verfügung. Beat Eberschweiler: «Indem wir pietätsvoll mit den menschlichen Überresten umgehen, sorgen wir dafür, dass die Würde der Toten gewahrt wird.» Die nicht eingelagerten Gebeine werden auf dem Friedhof Sihlfeld beigesetzt. Im Frühling 2024 wird dort eine Gedenkfeier für die Verstorbenen stattfinden.

Glasgefässe wie diese wurden in der Anatomie verwendet. (Bild: Kantonsarchäologie)

Taschenuhr, die bei den Ausgrabungen gefunden wurde. (Bild: Kantonsarchäologie)

Ausgegrabene Gebissprothese. (Bild: Kantonsarchäologie)

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